II.
Polizei gegen Roma PDF
Luis
Liendo Espinoza
„Neben
einer schier unübersehbaren Masse an Übergriffen durch einzelne
Polizisten sind besonders Attacken durch Gruppen von Polizisten bzw.
Angehörigen von Sicherheitsbehörden bezeichnend für die Situation
allgemeiner Rechtlosigkeit. Hier wird offenbar, dass diese Gewalt
nicht allein das Produkt isolierter rassistischer Polizeibeamter ist,
sondern von großen Teilen der Polizei getragen und als originärer
Teil des Dienstes verstanden wird. Zu diesen Erscheinungen
kollektiver Gewalt zählen u.a.
- willkürliche illegale Festnahmen (Entführungen) von Roma durch die Polizei (zum Teil mit Lösegeldforderung)
- die stunden- oder tagelange Misshandlung von Roma auf Polizeistationen
- willkürliche brutale Angriffe auf Gruppen von Roma in der Öffentlichkeit
- brutale Polizeiüberfälle auf Roma-Siedlungen
- Vertreibungen von Roma aus deren Siedlungen und Massenabschiebungen
Das
Anti Discrimination Centre Memorial erwähnt bspw. die wiederholte
Entführung von Romni durch die Polizei in Russland in 2011. Die
Frauen wurden stundenlang geschlagen und schikaniert. Eine besondere
Form der Demütigung war es, den Frauen gegen ihren Willen die Haare
zu schneiden, was bei manchen Roma-Gemeinschaften als schwere Schande
betrachtet wird. Die Täter waren sich dieses Sachverhaltes bewusst
und brüsteten sich vor den Frauen mit zahlreichen Fotos vergangener
Übergriffe. Unter fadenscheinigen Vorwänden werden Gruppen von
Roma, darunter vielfach auch Kinder, von der Polizei entführt,
bestenfalls nur schikaniert, bedroht und beraubt, in schlimmen Fällen
brutal geschlagen oder gefoltert. Nach außen werden Gewalt und
Misshandlung nachlässig als Festnahme und polizeiliche Aktion
getarnt. TASZ beschreibt in einer Videodokumentation (2010) eine
entsprechende Gewalttat in der Ortschaft Taktakenéz
in Ungarn.
Hier wurde aus nichtigen Gründen eine Roma-Familie auf eine
Polizeistation entführt und stundenlang brutal misshandelt. Ein
12-jähriger Junge wurde dabei wiederholt gezwungen, Wasser zu
trinken, um anschließend in den Unterleib geschlagen zu werden.
Seine Mutter musste seine Tortur mit Handschellen gefesselt
ohnmächtig anhören. Nach Angaben der Opfer führten die Beamten
kein Verhör oder eine Befragung durch. Die Gefangenen wurden ohne
Erklärung misshandelt und anschließend kommentarlos freigelassen.
Der damals 12-jährige Junge wurde von den Ereignissen schwer
traumatisiert. Laut einem ERRC Bericht von 2005 nahmen Polizeibeamte
in Russland regelmäßig ohne formale Haftverfahren Roma fest, um von
den eingeschüchterten Angehörigen ein Lösegeld erpressen zu
können. Die willkürliche Festnahme von Roma und deren ebenso
willkürliche Freilassung werden in den Fallbeschreibungen zu
Polizeigewalt oft nur am Rande erwähnt, weil sie von Gewalttaten und
Folter überschattet werden. Es sind in der Regel nur die
spektakulären Fälle an Polizeigewalt, welche für die
Öffentlichkeit dokumentiert werden oder in den Medien erscheinen.
Abgesehen von allgemeinen Einschätzungen durch
Menschenrechtsorganisationen gibt es dazu nur wenige stichhaltige
Daten, doch alles deutet daraufhin, dass Polizeigewalt ein fester
Bestandteil des Lebens vieler Roma in Europa ist.“