Sonntag, 6. September 2015

II. Polizei gegen Roma

II. Polizei gegen Roma   PDF
Luis Liendo Espinoza


Neben einer schier unübersehbaren Masse an Übergriffen durch einzelne Polizisten sind besonders Attacken durch Gruppen von Polizisten bzw. Angehörigen von Sicherheitsbehörden bezeichnend für die Situation allgemeiner Rechtlosigkeit. Hier wird offenbar, dass diese Gewalt nicht allein das Produkt isolierter rassistischer Polizeibeamter ist, sondern von großen Teilen der Polizei getragen und als originärer Teil des Dienstes verstanden wird. Zu diesen Erscheinungen kollektiver Gewalt zählen u.a.


  • willkürliche illegale Festnahmen (Entführungen) von Roma durch die Polizei (zum Teil mit Lösegeldforderung)
  • die stunden- oder tagelange Misshandlung von Roma auf Polizeistationen
  • willkürliche brutale Angriffe auf Gruppen von Roma in der Öffentlichkeit
  • brutale Polizeiüberfälle auf Roma-Siedlungen
  • Vertreibungen von Roma aus deren Siedlungen und Massenabschiebungen

Das Anti Discrimination Centre Memorial erwähnt bspw. die wiederholte Entführung von Romni durch die Polizei in Russland in 2011. Die Frauen wurden stundenlang geschlagen und schikaniert. Eine besondere Form der Demütigung war es, den Frauen gegen ihren Willen die Haare zu schneiden, was bei manchen Roma-Gemeinschaften als schwere Schande betrachtet wird. Die Täter waren sich dieses Sachverhaltes bewusst und brüsteten sich vor den Frauen mit zahlreichen Fotos vergangener Übergriffe. Unter fadenscheinigen Vorwänden werden Gruppen von Roma, darunter vielfach auch Kinder, von der Polizei entführt, bestenfalls nur schikaniert, bedroht und beraubt, in schlimmen Fällen brutal geschlagen oder gefoltert. Nach außen werden Gewalt und Misshandlung nachlässig als Festnahme und polizeiliche Aktion getarnt. TASZ beschreibt in einer Videodokumentation (2010) eine entsprechende Gewalttat in der Ortschaft Taktakenéz in Ungarn. Hier wurde aus nichtigen Gründen eine Roma-Familie auf eine Polizeistation entführt und stundenlang brutal misshandelt. Ein 12-jähriger Junge wurde dabei wiederholt gezwungen, Wasser zu trinken, um anschließend in den Unterleib geschlagen zu werden. Seine Mutter musste seine Tortur mit Handschellen gefesselt ohnmächtig anhören. Nach Angaben der Opfer führten die Beamten kein Verhör oder eine Befragung durch. Die Gefangenen wurden ohne Erklärung misshandelt und anschließend kommentarlos freigelassen. Der damals 12-jährige Junge wurde von den Ereignissen schwer traumatisiert. Laut einem ERRC Bericht von 2005 nahmen Polizeibeamte in Russland regelmäßig ohne formale Haftverfahren Roma fest, um von den eingeschüchterten Angehörigen ein Lösegeld erpressen zu können. Die willkürliche Festnahme von Roma und deren ebenso willkürliche Freilassung werden in den Fallbeschreibungen zu Polizeigewalt oft nur am Rande erwähnt, weil sie von Gewalttaten und Folter überschattet werden. Es sind in der Regel nur die spektakulären Fälle an Polizeigewalt, welche für die Öffentlichkeit dokumentiert werden oder in den Medien erscheinen. Abgesehen von allgemeinen Einschätzungen durch Menschenrechtsorganisationen gibt es dazu nur wenige stichhaltige Daten, doch alles deutet daraufhin, dass Polizeigewalt ein fester Bestandteil des Lebens vieler Roma in Europa ist.“